Bei Kerstin Döring dreht sich alles um Empowerment und Kreativität. Die Kulturwissenschaftlerin leitet seit 17 Jahren Workshops u.a. für die Google Zukunftswerkstatt, Firmen und Universitäten.
Was will ich wirklich? Wofür stehe ich? Was will ich beitragen? Diese Fragen sind – neben kreativem Ausdruck – Kern ihrer Arbeit mit Gruppen.
Kerstin Döring im Interview
Sie spricht über ihre Workshops, Selbstwirksamkeit fördern und unsere Stärken zu stärken durch kreative Prozesse
Beschreibe Dich bitte mit drei Worten
Kreativ. Menschlich. Bodenständig.
Hast Du feste Rituale oder Routinen im Leben?
Kerstin Döring: Ja! Mein Lieblingsritual ist meine tägliche künstlerische Praxis – Every Day Art.
Es ist wie ein Mini-Urlaub im Alltagsgedöns, wenn ich mich in meine Kunstecke setze, kritzle, klebe und male. Meine ganz persönliche Form der Kontemplation. Eine andere wichtige Routine:
Ich pflege regelmäßige „Relational Spaces“, in denen ich mich mit anderen auf Augenhöhe austausche, kläre und reflektiere.
Was genau tust Du und wie hilfst Du dadurch anderen?
Ich empowere Menschen, indem ich für Klarheit, Fokus, Motivation und neue Perspektiven sorge. Raus aus der Bubble!
Ich schaffe Räume, in denen Menschen intensiver mit sich selbst in Kontakt und auf den Punkt kommen: Worum geht es gerade wirklich? Denn oft verbergen sich unter aktuellen Baustellen größere Lebens-Themen und tiefer liegende Bedürfnisse.
Im Austausch mit anderen Teilnehmenden entsteht Verbindung und Gruppenintelligenz. Manchmal fühlt sich das wie Magie an, wenn durch Deep Listening und Feedback die Potenziale der einzelnen im Raum aufleuchten.
In meinen Workshops und Coachings rege ich dazu an, eher in Möglichkeiten als in Begrenzungen zu denken, Spielräume zu erlauben, Selbstwirksamkeit zu fördern und Stärken zu stärken.
Ganz wichtig: Im Rahmen kreativer Prozesse kommen die Menschen ins „Einfach machen“! Zurzeit arbeite ich – wie alle – Online.
Mit meiner Kollegin Magdalena Geissler zusammen biete ich das dreistündige interaktive Empowerment Lab via Zoom an (Empowerment Lab – Was will ich wirklich?). Für die Google Zukunftswerkstatt leite ich das 90minütige kostenlose Webinar „Empowerment – Was will ich wirklich?“.
Wie bist Du zu dieser Berufung gekommen?
Kerstin: Seit vielen Jahren leite ich an der Uni Hamburg Seminare für Studierende zum Thema „Was will ich wirklich?“.
Manchmal erzähle ich dort, dass ich während meines Studiums der Kulturwissenschaften – wie alle anderen Kuwis – eine Studienkrise hatte, weil ja niemand, der Kulturwissenschaften studiert, weiß, was er später damit anfangen wird. Verzweifelt verteilte ich damals Karteikarten auf dem Fußboden meiner Studentenbude.
Auf die Karten schrieb ich einzelne Stichworte, von denen ich damals bereits wusste: Das gehört zu mir. Das bin ich. Das macht mich aus. Da stand zum Beispiel: Kreativität. Schreiben. Kommunikation. Kunst. Wachstum. Bewegung. Verbindung. Menschlichkeit.
Ich hatte natürlich keine Ahnung, was ich mit all den Worten machen würde bzw. auf welche Weise diese Qualitäten, die ich notiert hatte, zu meinem Weg werden würden. Aber ich hatte die innere Gewissheit:
Das sind meine Leitsterne.
So bin ich im Laufe der Jahre zu meiner Berufung „geworden“. Ich folgte konsequent Impulsen, die zu diesen Werten passten. Schon im Studium war Kreativität ein zentrales Motiv; ich machte Kunst, schrieb Kurzprosa. Früh tummelte ich mich als Teilnehmerin in Selbstfindungsseminaren, studierte Psychologie im Nebenfach.
Ich sammelte als Studentin viele Erfahrungen in Gruppen. Nach dem Studium schrieb ich zunächst literarisch, aber es klappte nicht mit einer Buch-Veröffentlichung. Dann begann ich Kreativ-Schreiben-Workshops zu geben. Es folgten anderen Themen, zu denen ich Workshops leitete.
Ohne es zu merken, entwickelte ich über die Jahre meinen ganz eigenen Stil, mit Gruppen zu arbeiten. Freies Schreiben, Awareness Practices und Austausch spielen dabei eine zentrale Rolle.
All die Worte, die damals auf dem Teppich meiner Studentenwohnung gelegen hatten, waren wie einzelne Puzzlestücke, die nach und nach ein Gesamtbild ergaben, das Gesamtbild meiner Berufung.
Kerstin Döring über Coaching und Workshops
Was sind die häufigsten Fehler bei Coaching/ Workshop?
Kerstin: Ich würde nicht von „Fehlern“ sprechen, sondern eher von ungünstigen Erwartungshaltungen oder Vorstellungen.
Zum Beispiel nehme ich eine allgemeine Tendenz wahr, schnelle Lösungen haben zu wollen á la: Gib mir ein Rezept, gib mir eine Pille; mach weg, was weh tut.
Diese Konsum-Erwartungshaltung wirkt sich meiner Erfahrung nach nicht förderlich auf einen Coaching-Prozess aus. Ich bin ein Fan davon, erstmal dem Raum zu geben, was ist. Das will gewürdigt werden, auch wenn es vielleicht unangenehm ist.
Das zu überspringen und möglichst schnell zum Zukunftsziel gelangen zu wollen, halte ich für das Symptom eines kollektiven Selbstoptimierungswahns, der Schmerz produziert.
3 Tipps, die Unternehmer umsetzen sollten, um Coaching zu erreichen
Kerstin Döring: Wenn Unternehmen an empowerten, kreativen Mitarbeitenden interessiert sind, die sich im Rahmen von Coachings oder Workshops entwickeln wollen, ist es sicherlich hilfreich, die eigene Unternehmenskultur unter die Lupe zu nehmen.
Unterstützend ist natürlich eine Haltung von Wertschätzung, Transparenz und Wohlwollen, die von möglichst vielen Beteiligten und Ebenen vorgelebt wird. Besonders Deutschland ist ja leider für eine eher klägliche Fehlerkultur bekannt. Es gibt da also in manchen Branchen noch viel Luft nach oben.
Arbeitsklima und Mindset sind wichtige Dreh- und Angelpunkte.
Magst Du uns eine Case-Study eines Deiner Kunden vorstellen? Welches Ergebnis hat er mit Deiner Hilfe erzielt?
Menschen schreiben mir manchmal nach einem Workshop oder nach Coachings und erzählen, was sie dank der Empowerment-Impulse verändert haben:
Eine Frau hat endlich die lang ersehnte Fortbildung begonnen; andere berichten, dass sie sich einen lang gehegten Wunsch erfüllt haben, verreist sind, wichtige Lebensentscheidungen getroffen haben.
Kürzlich habe ich über einen längeren Zeitraum eine Unternehmerin begleitet, die ihr Business völlig neu aufgestellt hat. Es ging dabei vor allem darum, an den eigenen Weg und Traum zu glauben trotz widriger Umstände.
Was sind die wichtigsten Eigenschaften um beruflich erfolgreich zu sein?
Kerstin: Die Frage ist, wie man beruflichen Erfolg für sich definiert; übrigens eine Frage, die ich in meinem „Bitte Fehler machen – Scheitern erlaubt“ Workshop mit den Teilnehmenden untersuche.
In meiner persönlichen Erfolgsdefinition sind wichtige Eigenschaften für beruflichen Erfolg: Zu wissen, wofür ich stehe. Welche Werte ich verkörpere. Das zu tun, was ich liebe.
Wenn ich für etwas brenne, spüren Menschen das.
Dann strahle ich das aus, was ich vermittle. Das wirkt auf andere anziehend – und das ist ein zentraler Punkt für Erfolg. Wenn das, was ich liebe, auch noch auf ein großes Bedürfnis oder auf einen Schmerz in der Welt trifft, ist Erfolg meiner Meinung nach garantiert.
Denn dann leiste ich einen sinnvollen Beitrag. Oder – etwas pathetisch gesagt – dann diene ich dem Leben.
Welche Person, Mentor oder welches Buch hat Dich in Deinem Leben am meisten beeinflusst?
Kerstin Döring: Immer wieder waren es Frauen, die an mich geglaubt haben, als ich noch jünger war.
Ich war gerade selbst erst dem Studentenstatus entschlüpft, da gab mir die Leiterin des Career Centers der Uni Hamburg, die mich als Praktikantin kennengelernt hatte, Lehraufträge zum wissenschaftlichen Schreiben.
Sie traute mir das zu und ließ mich machen. Genauso die Leiterin eines Projektes, für das ich inzwischen seit 17 Jahren als Facilitatorin arbeite – auch sie gab mir einen Vertrauensvorschuss, obwohl ich 2004 erst wenig Erfahrung mit Gruppenleitung hatte.
Ich experimentierte viel. Learning by doing.
Mit der Zeit entwickelte ich in diesen Arbeitsräumen, in denen ich viel Freiheit hatte, meinen eigenen Stil. Wenn ich darüber nachdenke, hat mich das Vertrauen dieser Frauen in mich und meine Fähigkeiten stark geprägt.
Eine große Inspiration ist für mich und meine Arbeit außerdem Thomas Hübl, ein zeitgenössischer Weisheitslehrer, bei dem ich viel gelernt habe.
Kerstin Döring über Erfolg & Misserfolg
Erzähl uns von Deinem bisher größten Erfolgserlebnis:
Kerstin: 2018 war ich auf der Suche nach neuen Aufträgen. Eine Bekannte hatte mir von der Google Zukunftswerkstatt erzählt, von der ich bisher noch nie gehört hatte.
Ich fand nirgendwo Kontaktdaten, fasste mir ein Herz, fuhr in die Hamburger Innenstadt, klopfte an die Glastür der Google Zukunftswerkstatt und dachte mir: mehr als „Nein, danke“ kann nicht passieren – mach einfach. Eine freundliche Google Location Managerin öffnete mir die Tür und schenkte mir ihr Ohr.
Ich beschrieb meine Arbeit und fragte, ob meine Seminare für die Zukunftswerkstatt von Interesse sein könnten. Einfach mal an die Tür der Google Zukunftswerkstatt zu klopfen, war der Beginn einer Erfolgsgeschichte.
Die Location Managerin gab mir eine Visitenkarte; ich verschickte mein Profil und eine Liste mit Trainings-Themen. Im November 2018 hielt ich schließlich mein Pilot-Training „Empowerment – Was will ich wirklich?“ vor 90 Leuten.
Das vierstündige Training war ein großer Erfolg.
2019 gab ich zahllose Empowerment-Trainings, bis Google mich fragte, ob ich den Content verkaufen würde und andere Trainerinnen ausbilden könne, das Format zu leiten. Ich sagte zu. Anfang 2020 leitete ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Train-the-Trainer-Format. Das war toll.
Was war bisher Deine größte Niederlage und wie verarbeitest du Misserfolge?
Kerstin Döring: Anders rum – Die ersten 23 Jahre meines Lebens habe ich in einer dauerhaften „Nieder – gedrückten – Lage“ zugebracht.
Das daraus resultierende Lebensgefühl: Ohnmächtig und gelähmt. Hier war – wie man sich vorstellen kann – dringend Empowerment vonnöten. Insofern war meine größte langanhaltende „Niederlage“ die Basis dafür, meine Berufung zu verstehen und zu finden.
Teach what you have to learn.
Ich bin Expertin im Hindernislauf und Empowerment-Expertin. Ich weiß, wovon ich rede. Niederlagen sind für mich Lern- und Wachstumschancen, die sich natürlich oft doof anfühlen, wenn man mitten drinsteckt.
Sie befeuern aber Wachstum, Veränderung und Empowerment.
Was hast Du aus diesem Scheitern gelernt?
Kerstin Döring: Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Failure sucks but instructs.
Was ist Dein Lieblingsort um abzutauchen?
Meine Kunstecke. Der Bredenbeker Teich. Die Ostsee. Die Liege meiner Lieblings-Bodyworkerin.
Welche Marketing-Tools setzt Du ein und weshalb?
Ich bin aktiv auf Social Media, habe einen Email-Verteiler und bin in Netzwerken aktiv. Mundpropaganda und Empfehlungen spielen bei mir eine große Rolle.
Was wird in den nächsten Jahren an Wichtigkeit gewinnen und was verlieren?
Ich glaube, es wird nach Corona (wann auch immer das sein wird) eine große Sehnsucht nach Präsenz geben. Darauf freue ich mich schon, denn ich vermisse den direkten Kontakt mit Menschen auch sehr.
How to stay human in a digital world?
Diese Frage ist und wird spannend bleiben, glaube ich. In disruptiven Zeiten von Pandemie, hoher Komplexität, drängenden Problemen wie Klimawandel und Flüchtlingsströmen wird Resilienz sicher ein Top-Thema bleiben genauso wie die Frage nach kreativen Lösungen. Wie kommt das Neue in die Welt?
Mit welchem Themen sollten sich die Leser derzeit befassen um sich persönlich weiterzuentwickeln?
Kerstin: Resilienz. Was ist Zukunftskompetenz? Mindset. Mitgefühl. Kommunikation. Präsenz.
Zu welchem Themen wirst Du Dir Fachwissen aneignen und Dich weiterbilden?
Kerstin: Zur Zeit halte ich den Ball flach, nachdem ich im letzten Jahr coronabedingt alles auf Online umgestellt habe. Das war sehr lernintensiv.
Was ist Dein nächstes großes Ding?
Kerstin: So genau weiß ich das gerade nicht. Vielleicht ein Buch schreiben.
Entweder oder Fragen:
- Meer oder Berge? Meer!
- Steak oder Salat? Suppe. Auflauf. Pizza.
- Kochen oder Liefern lassen? Kochen.
- Kaffee oder Tee? Viel Kaffee.
- Hund oder Katze? Vielleicht bald ein Hund.
- Netflix oder Prime? Weder noch
- Sachbuch oder Roman? Beides.
- Anruf oder Text? Text.
- Wien oder New York? I love Europe.
- Tablet/Smartphone oder Desktop Computer? Mein Labtop.
- Spa oder Fitness Studio? Yogamatte.
Über Kerstin Döring
Kerstin Döring ist Künstlerin, Coach und Mutter eines 14 jährigen Sohnes und einer 7 jährigen Tochter. Sie lebt mit ihrer Familie am Stadtrand von Hamburg.
Every Day Art ist für sie eine kontemplative Praxis, ein Weg der Vertiefung, der sie glücklich macht. Genau wie das Analoge, das Papier, die Stifte, die Arbeit mit ihren Händen.
Sie liebt die Freiheit von Perfektion in ihrer täglichen künstlerischen Praxis.
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