Wer kennt das nicht? Die Chefin oder die Schwiegermutter betritt den Raum und du spürst augenblicklich diese Wut in dir aufsteigen, die dich schon seit Monaten begleitet.
Jemand aus deinem Umfeld hört dich leise schnauben und meint: „Wut tut gut“ oder vielleicht „Mensch, ärgere dich nicht!“. Sicherlich gut gemeinte Ratschläge, aber Hand aufs Herz, kannst du sie annehmen?
Oder triggern sie dich vielmehr und du hättest einfach nur noch Lust zu schreien?
Wenn ich solche Ratschläge höre, spüre ich erst einmal, wie sich mein Magen leicht zusammenzieht, dann schiebt sich mein Unterkiefer etwas nach vorne, … und weil ich es ja besser weiß, versuche ich es dann erst einmal mit bewusstem Atmen.
Und ja, manchmal funktioniert es und manchmal eben nicht. Wenn einem gerade der Kragen platzt, ist es durchaus nützlich, etwas mehr über Wut und den Umgang mit ihr zu wissen.
Warum wirst du wütend?
Manchmal braucht es nicht viel und das Fass läuft einfach über:
- Ein falscher Blick des Chefs oder eine fiese Aussage der Schwiegermutter
- Situationen (z.B. ein Stau) oder Verhaltensweisen (man lässt dich nicht zu Wort kommen), die du dir so nicht vorgestellt hast
- fehlende Zeit (du wolltest eigentlich noch einen Kuchen backen für die Party) oder Möglichkeiten (es gibt keinen Parkplatz)
Jede einzelne dieser Situationen ein vermeintlicher Frontal-Angriff auf dich ganz persönlich! Mit dem Resultat, dass du dich in die Enge getrieben fühlst und die vermeintliche Ungerechtigkeit dich innerlich explodieren lässt.
Was löst deine Wut wirklich aus?
Deine Wut versetzt den Körper über das Sympathikus-System in Alarmzustand. Dadurch werden Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet, dein Herzschlag beschleunigt sich, Blutdruck und Muskeltonus steigen.
Zudem wird das Blut umverteilt – raus aus dem Verdauungstrakt, rein in die Muskeln. Die werden nämlich gebraucht, wenn unser Körper gleich entweder um sein Leben rennen oder darum kämpfen muss.
Auch wenn du nicht mehr um dein Leben rennen brauchst (im Gegensatz zu unseren Vorfahren); deine Reaktion ist immer noch dieselbe.
Die Nasenflügel blähen sich auf, die Augen werden schmal und der Atem beschleunigt sich und so manch einer bekommt rote Flecken… so manifestiert sich Wut, in ihrer vollen Grösse.
Sie verhindert klares Denken oder Handeln – du verlierst die Beherrschung, wirst laut, rücksichtslos, bist aggressiv und manchmal fliegt sogar was durch die Gegend.
Daran erkennen wir, dass Wut eine unglaubliche Energie besitzt. Genau das zu erkennen ist sehr wichtig, denn diese Energie lässt sich auch positiv nutzen.
Ist Wut also gut?
Ja. Jede Emotion ist gut, denn Emotionen – positiv oder negativ – sind da, um uns etwas mitzuteilen. Da gehört ganz klar auch Wut (Ärger, Hass, Zorn, Aggressionen) dazu.
Dennoch wird Wut nicht gerade zu den erstrebenswerten Emotionen gezählt. Ganz im Gegenteil, sie genießt eher einen schlechten Ruf und in der katholischen Kirche gilt Zorn sogar als Todsünde.
Glücklicherweise wissen wir heute, dass es ungesund ist, Emotionen zu unterdrücken. Unterdrückte Gefühle machen krank, schwächen unser Immunsystem und steigern unser Stressverhalten.
Dazu kommt, dass ein Gefühl wie Wut nicht einfach weg ist, nur weil wir sie nicht zeigen. Im Gegenteil, es kostet uns sehr viel Energie. Therapeuten benutzen in diesem Zusammenhang gerne das Beispiel mit dem Luftballon.
Es ist möglich, einen mit Luft gefüllten Ballon unter Wasser zu drücken, erfordert aber grosse Aufmerksamkeit und Anstrengung.
Wut ist also gut, weil sie uns zeigt, dass wir mit etwas oder jemandem in unserem Leben nicht einverstanden sind. Wir fühlen uns unfair behandelt, hilflos, bedroht, gekränkt oder nicht ernst genommen.
Es ist so wichtig, das wahrzunehmen und auf keinen Fall wegzudrücken. Erst dann wird Veränderung möglich.
Wut zeigt auch unserem Gegenüber, dass sich die Beziehung gerade im Ungleichgewicht befindet. Dank der mit Wut verbundenen Energie wird es uns oft erst möglich, eine Veränderung in Betracht zu ziehen.
Wo kommt die Wut eigentlich her? Warum gibt es Wut?
„Emotionen haben sich in der Evolution entwickelt, damit wir rasch auf lebenswichtige Ereignisse in unserem Leben reagieren können„, schreibt Paul Ekman (US-amerikanischer Psychologe).
Weiter sagt er: „Wir werden zornig, wenn wir etwas im Kopf haben, eine Vision oder ein Ziel – und jemand oder etwas uns daran hindert, dorthin zu gelangen.„
Und was glaubst du was passiert, wenn wir glauben, unser Vorhaben wird absichtlich verhindert? Ganz richtig: Unsere Wut wird noch viel größer.
Sind wir erst einmal zornig, geht es uns nur noch darum, die Hindernisse zu beseitigen. Meist machen wir das durch Drohen, lautem und unbeherrschtem Schreien, wilder Gestik oder gar durch einen Angriff.
Was steckt hinter der Wut?
Wir wissen nun, dass wir wütend werden, wenn unsere Ziele und Visionen verhindert werden. Was wiederum bedeutet, dass unsere Erwartungen und Wünsche nicht erfüllt werden.
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Sich zu fragen, was hinter der Wut steckt, beziehungsweise welche Erwartung oder welcher Wunsch nicht erfüllt wurde, ist absolut notwendig.
Ein unerfüllter Wunsch nach mehr Anerkennung, mehr Handlungsfreiraum oder mehr Verantwortung können ebenso Grund für einen Wutausbruch sein, wie die nicht erfüllte Erwartung an eine Lohnerhöhung, an einen Sieg beim Tennisspielen, etc…
Wut hat also auch viel mit Frustration zu tun. Die Frustrations-Aggressions-Theorie geht davon aus, dass Aggressionen grundsätzlich Reaktionen auf Frustration sind.
Wut ist demnach eine Abreaktion.
Warum unterdrücken wir (negative) Gefühle wie Wut?
Schon zu Senecas Zeiten galten Wut und Ärger als unangemessene Gefühle. Leider hat sich daran bis in die Gegenwart nur wenig geändert. Wut ist nicht zulässig.
Bereits als Kind wird uns beigebracht, dass dieses Gefühl zu unterdrücken und die damit einhergehenden Aggressionen zu unterlassen sind.
Warum das so ist, erklärt die Psychiaterin und Neurologin Prim. Dr. Heidi Kastner so: „Weil sogenannte Negativ-Emotionen unangenehm sind: Für denjenigen, der sie empfindet, und zu einem ganz wesentlichen Teil für denjenigen, dem sie zugedacht sind“ – diese Unannehmlichkeit will man sich ersparen – leider nicht ohne Konsequenzen.“
Als erwachsene Menschen haben wir das Unterdrücken der Wut lange genug geübt, so dass viele von uns dieses absolut wichtige Gefühl – man könnte es auch Signal nennen – nicht mehr wahrnehmen können.
Ich nenne es Signal, weil es einem Stoppschild gleicht und Grenzen aufzeigt. Es handelt sich bei der Wut um eine Emotion, die uns aufmerksam macht, dass eine Situation oder eine Beziehung uns, so wie sie gerade ist, nicht mehr guttut.
Diese Emotion einfach wegzudrücken kostet viel Energie (man denke an den Luftballon) und schadet der Gesundheit, von Verbitterung über hohen Blutdruck bis hin zum Burnout.
Wie du in 4 Schritten den Umgang mit deiner Wut lernen kannst
Es ist gut zu wissen, wie wichtig es ist, Wut zuzulassen. Nur ganz so einfach ist es für die wenigsten von uns. Gerne hier ein paar Anregungen, wie du einen neuen Umgang mit Wut findest:
1. Der Wut auf der Spur
Der erste und wohl wichtigste Schritt, ist es, die Wut als solche wieder wahrzunehmen und sie zu fühlen. Es geht darum, den Reflex des Dauerlächelns und Wegdrückens zu unterbrechen.
Beispiel: Die Chefin betritt den Raum, du spürst eine gewisse Aggression in dir aufsteigen, anstatt sie als solche wahrzunehmen, schluckst du und lächelst deine Chefin freundlich an.
Obwohl du etwas spürst, wirst du das Gefühl immer weniger deuten, weil du es ja nicht zulässt.
Hier geht es einzig und allein darum, zu merken, dass ihre Anwesenheit etwas in dir auslöst. Eine Grenze ist überschritten und nun geht es darum, diese Grenze zu beleuchten.
2. Geschwindigkeit reduzieren
Wenn du die Wut nun spüren kannst, du den Kloß im Hals, den Druck im Magen, oder etwas anderes einfach mal zulässt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich ein Thema zeigt.
Damit dies auch wirklich geschehen kann, ist es unerlässlich, dass du innehältst. Du gehst runter von der Überholspurt, nimmst dir etwas Zeit und lässt die Wut zu.
Vielleicht geht es ja darum, dass du dich von deiner Chefin nicht ernst genommen fühlst, sie dir gefühlt kaum Anerkennung gibt und deinen Wert nicht sieht.
Egal was es ist, wenn du wütend wirst, handelt es sich immer um etwas, dass dir wichtig ist. Deshalb ist es unerlässlich, etwas zu unternehmen, um die Situation zu verändern.
3. Karten auf den Tisch legen
Je öfters du dich auf dein „Wut-Empfinden„ (Kloß im Hals, Schwere im Brustraum, schneller Atem…) einlässt, desto früher wirst du es auch als solches erkennen. Dann geht es darum, das betroffene Gegenüber davon in Kenntnis zu setzen.
Je früher du deine Wut wahrnimmst, desto einfacher wird dir gelingen, dies auf eine sozial-verträgliche Art dem Auslöser mitzuteilen.
Sozial-verträglich sind Sätze wie „Ich bin gerade sowas von wütend, da muss man was ändern!“ Oder „Das passt mir gar nicht!“ – du darfst das auch etwas „zu“ laut aussprechen, denn gerade diese Wut-Energie, auch wenn sie heftig ist, lässt dein Gegenüber spüren, dass es dir ernst damit ist.
Es geht jedoch IMMER darum, DEIN Gefühl mitzuteilen – es geht nicht darum, dein Gegenüber zu kritisieren.
4. Deine Wut – deine Entscheidung
Tatsächlich ist es deine Wut. Damit meine ich, dass sie in dir entsteht, wohlgemerkt durch einen Auslöser im Außen. Dennoch ist es so… es ist deine Verletzung, deine Frustration.
Du bist dafür verantwortlich, wie deine Reaktion ausfällt und hast die Wahl, ob du Wut unterdrücken willst und wartest, dass sich im Aussen etwas verändert (und das kann dauern…), oder du entscheidest dich bewusst, etwas zu ändern.
Ich empfehle letzteres, denn in vielen Situationen sind sich die Auslöser gar nicht bewusst, was sich im Inneren des Wütenden abspielt.
Wenn du deine Wut so lange unterdrückst, bis es einfach nicht mehr geht, wird ein aggressiver Ausbruch folgen. Dass ein Gegenüber dann ebenfalls mit Wut reagiert, ist sehr wahrscheinlich. Eine Lösung für dich rutscht damit immer mehr ins Abseits.
Auch wenn es widersprüchlich klingt: Es lohnt sich, Wut zuzulassen. Nur so kannst du erkennen, was dich gerade triggert und kannst zudem ihre ganze Energie für eine positive Veränderung nutzen.
Nachfolgendes Zitat kannst du ausschneiden, oder abfotografieren, dann legst du es an einen Ort, wo du es immer wieder liest. Es soll dich daran erinnern, dass alleine du über deine Wut entscheiden kannst.
An Zorn festhalten, ist wie Gift trinken und erwarten, dass der Andere daran stirbt
-Buddha
Über die Verfasserin
Monica Pongratz arbeitet als Coach & Trainerin. Sie unterstützt Führungskräfte und ihre Teams darin, ihre Konflikte als Chance zu sehen. Für mehr Power und Freude im Führungsalltag. Zudem bietet sie Workshops zum Thema «Endlich entspannt Ärgern!» an.