Kolumne

Evi Hellweger: Lassen Frauen in der Lebensmitte die Gen Z beruflich alt aussehen?

Als international berufserfahrene Frau in der Peri-Menopause fällt es mir ehrlicherweise gar nicht leicht, angesichts der Vielzahl an Änderungen in der Arbeitswelt den Durchblick zu behalten. Agilität, Work Life Blending, Holokratie, Knowledge und Learning Worker, Scrum – Nein, das ist kein Auszug aus dem Lied „Mit freundlichen Grüßen“ von den Fantastischen Vier, es ist die Realität von New Work 2024.

Gehöre ich als Frau Mitte 40 tatsächlich zum alten Eisen, wenn solche Konzepte ein leichtes Stirnrunzeln auf meiner ohnehin schon nicht mehr glatten Vorderpartie auslösen? Oder sind Frauen in den Wechseljahren dank ihrer Kompetenzen und Werte für Unternehmen schlichtweg unverzichtbar, um sicher durch diese unsicheren Zeiten zu navigieren?

Veränderung als Identität

Wandel ist in meiner DNA, denn als Kind der späten Siebzigerjahre in Südtirol aufgewachsen, bin ich mit der Weltwirtschaftskrise, dem Reaktorunfall in Tschernobyl und Kriegen in nah und fern groß geworden.

Emotionale, soziale und wirtschaftliche Unsicherheit begleitete meine Reise zur jungen Erwachsenen, und es sind genau diese volatilen Umstände, die meine Generation X zu widerstandsfähigen und anpassungsfähigen Steh-auf-Frauen gemacht haben. 

Wenig war sicher und planbar und das traf auch auf zwischenmenschliche Beziehungen zu. Wollten wir der Peinlichkeit eines Anrufs auf dem Haustelefon aus dem Weg gehen, dann sahen wir einen Crush, wie es neumodisch so schön heißt, oftmals wochenlang nicht.

Es galt, die Zeit des Wartens geduldig zu ertragen und anderweitig zu nutzen. So kletterten wir auf Bäume, radelten in den Sonnenuntergang und rauchten mit jugendlicher Coolness hustend die ersten Zigaretten. 

Es ist diese würzige Mischung aus Abenteuer und Unvorhersehbarkeit, die heute noch angenehm süß-holzig in der Nase sitzt. Klar, es ist nicht alles Gold, was glänzt, wuchsen wir in einer Leistungsgesellschaft heran und bekamen unfreiwillig Etiketten angeheftet, die uns in Schubladen pressten.

Braves Benehmen heimste uns Lob und Anerkennung ein, kam jedoch unsere wahre, wilde Persönlichkeit zum Vorschein, wurden wir mit verbaler Bestimmtheit zum Schweigen gebracht. Wir lernten, uns anzupassen, und in einer polaren Welt hat dies zwar unsere Identität eingeschränkt, andererseits aber resilient und erfinderisch gemacht.

Das bisschen Haushalt macht sich von allein …

Evi Hellweger coaching

Wenn wir nun Mitte 40 auf das zurückblicken, was wir geleistet haben, dann ist das ein beachtliches Kunstwerk: Wir haben Kinder großgezogen – menschlicher oder anderer Natur, das bisschen Haushalt, das sich entgegen aller Songtexte nie von allein gemacht hat, nebenbei geschmissen und waren leidenschaftlich berufstätig.

Ein Beruf bedeutete nicht nur einen monetären Leistungsvertrag, es war eine Lebensphilosophie, eine Kombi aus Spaß, Verbindlichkeit und hohen Ansprüchen an uns selbst. Wir lernten, analog organisiert zu arbeiten und behielten stets den Durchblick im Mappen-Wahnsinn – bis der kometenhafte Aufstieg moderner Technologien uns auf originellste Weise forderte. 

Generationsübergreifendes Arbeiten – Kann das gutgehen?

Nun leben und arbeiten wir unter einem Dach mit einer Generation, die Z wie Zukunft genannt wird und in Anbetracht unserer Biografie gelangweilt die Augen rollt und einen cringe Moment erlebt, wenn wir von früher erzählen. 

Was charakterisiert die Gen Z?

  • Sie hat digitale Bildung in ihren Genen und ihr reales Leben ist mit dem Online-Dasein 24/7 verschmolzen.
  • Jugendliche leiden unter einem enormen Druck, der zumeist von ungesunden Vergleichen mit vermeintlich perfekten Menschen auf Social-Media-Kanälen stammt, die ihren Selbstwert in den Sumpf ziehen und vorgaukeln, dass sie ohnehin nicht gut und schön genug sind. 
  • Begleitet wird dieses unbequeme Gefühl von ihrer lässigen Unverbindlichkeit – zwischenmenschlich, beruflich, persönlich. 
  • Entscheidungen sind angesichts der Inflation an Möglichkeiten, die einen Mausklick entfernt sind, von kurzer Dauer.
  • Die Vielzahl an Informationen verwehrt ihnen notwendige Zeiten der Ruhe, um die Fluten an Daten zu reflektieren und bewusst zu verdauen. 
  • Sie haben die Wahl, und diese kommt selten ohne die miese Begleitung der Qual. Laut Trendforschern absolvieren junge Menschen bis zu acht Ausbildungen in ihrem Leben, und geht damit einerseits viel Freiheit einher, so bleibt der schale Nachgeschmack, nie wirklich anzukommen. 

Treffen diese zwei Generationen am beruflichen Dance-Floor aufeinander, so führt das zweifelsohne zu Nasenrümpfen und Schulterzucken auf beiderlei Seiten.

Die weltverbessernden Vorstellungen der Jungen kollidieren nicht selten mit den bewährten Gewohnheiten der Älteren und dies sorgt für allerhand Zündstoff in Teams. Die Emsigkeit und die Anpassungsfreude der erfahrenen Mitglieder stößt der jüngeren Generation sauer auf, hat sie öfters gesehen, wie sich ihre Eltern bis kurz vor das Burnout peitschten. 

Ungesunde Muster durchbrechen für eine nachhaltige Arbeitskultur

Die Gen Z möchte diese ungesunden, generationsübergreifenden Muster ein für alle Mal durchbrechen und für eine nachhaltige Arbeitskultur einstehen. Die mentale Gesundheit ist Youngsters ein Herzensanliegen, gleich wie der Umweltschutz und die aktive Gestaltung ihrer Lebensumstände.

Sie sind Impulsgeber sowohl in beziehungstechnischen Belangen als auch für eine innovative Art des Arbeitens, leben und lieben sie doch Werte wie Flexibilität, Ehrlichkeit und Diversität.

Die geheimen Heldinnen am Arbeitsmarkt

Evi Hellweger Coach

Als Coachin für Frauen sehe ich das Potential, den Erfahrungsschatz und die Leidenschaft meiner Kundinnen, doch sind es oftmals die veralteten, maroden Strukturen, die ihre Karriere-Ambitionen im besten Alter bremsen und fast schon boykottieren. 

5 überzeugende Gründe, warum Frauen die neuen Rockstars am Berufshimmel sind:

  • Nach den Jahren des Östrogen-Nebels startet die Zeit der erneuten beruflichen Selbstfindung und setzt jede Menge Energie und Klarheit frei
  • Nach langer Teilzeit-Arbeit und unbezahlter und unsichtbarer Care-Arbeit haben sie richtig Lust auf frische Herausforderungen.
  • Dieser Umbruch ist der ideale Zeitpunkt, um gnadenlos auszumisten: Falsche Limitierungen, Selbstzweifel und kritisierende Stimmen anderer dürfen ab sofort einen neuen Platz zum Wüten suchen. Der Weg ist frei für Karriere und Selbstverwirklichung!
  • In der Zeit der Jugendkultur wird gern die Power der Frauen in den Wechseljahren vergessen. Dabei sind sie jetzt in der Lage, sich entweder schnell an Änderungen anzupassen und innovative Lösungen zu suchen – oder eine Position dankend abzulehnen. Nach den vielen Jahren der faulen Kompromisse wissen sie, was sie wollen – und auch, was sie nicht wollen. 
  • Es gibt zu wenige weibliche Vorbilder um die 50 im beruflichen Kontext, höchste Eisenbahn also, dass Frauen vermehrt Sichtbarkeit und Anerkennung erfahren, wenn sie den bedeutsamen Schritt für eine emanzipierte, inklusive und gerechte Gesellschaft gehen.

Der bunte Strauß an Stigmata, der den Generationen X und Z attestiert wird, welkt im selben Atemzug, wie sich die Gesellschaft ändert, und eine plumpe Verallgemeinerung ist schlichtweg ungerecht. Viel schöner ist es hervorzuheben, was beide Parteien vereint und da liegt der wundervolle, englische Begriff „Purpose“ nahe.

Ich wage zu behaupten, dass es genau diese Sinnfrage ist, die uns einander annähert, spielt sie doch bei Alt und Jung eine tragende Rolle: „Wer bin ich? Was möchte ich zukünftigen Generationen hinterlassen? Was bedeutet ein gesundes Leben für mich?“ 

Zum Abschluss bringe ich das Wort Co-Creation ins Spiel, denn ich finde, wenn beide Parteien an einem Strang ziehen, sie etwas Großartiges, noch nie dagewesenes gestalten können.

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Frauen in den Wechseljahren nicht mehr von der beruflichen Bildfläche verschwinden, wie es lange Zeit der Fall war, sondern in den nächsten Jahren ganz vorne mit voller Power mitmischen. Die Zukunft ist weiblich – und Ü45!

Über die Autorin:

Evi Hellweger ist Coachin und Supervisorin für Frauen und nennt sich selbst „Ressourcen-Aktiviererin“. 

Die eigenen Ressourcen zu aktivieren, um stressige Lebensphasen nachhaltig zu meistern, darin hilft die ehemalige Marketing-Managerin, die in NYC, Berlin und Madrid gearbeitet hat, ihren KundInnen. Ihr Coaching und Frauenheilkunde-Ausbildungen in Europa und den USA führt sie in ihrem eigenen, nachhaltigen Ansatz zusammen.

In den Workshops zu den Wechseljahren schafft sie Bewusstsein für die Lebensmitte und zeigt ganzheitlich, informativ und humorvoll auf, wie besonders diese Phase im Leben einer Frau ist. 

Sie arbeitet mit KundInnen aus Österreich, Deutschland, Spanien und Italien zusammen sowie mit Unternehmen, denen die ganzheitliche Gesundheit am Arbeitsplatz wichtig ist.

Wie ist deine Reaktion?

Aufregend
9
Interessant
64
Liebe es
71
Unsicher
3

Antwort verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Mehr in:Kolumne

Next Article:

0 %