Wer ist eigentlich der Schuldner? Dein Schuldner ist derjenige, der Dir etwas schuldet, insbesondere Geld. Es kann also der Käufer Deines Produktes sein oder derjenige, der zum Beispiel Deine Dienstleistung entgegengenommen hat.
Die meisten von uns kennen die Situation, in der von einem Kunden oder Geschäftspartner noch eine Zahlung aussteht. Wir haben unsere versprochene Leistung erbracht, eine Rechnung geschrieben und warten darauf, dass diese beglichen wird.
Was nun? Viele meiner Mandanten stehen vor der Frage, wie sie vorgehen sollen, um den geschuldeten Betrag zu erhalten und dabei die Kunden- oder Geschäftsbeziehung nicht zu belasten.
5 Tipps von Irina Shafir, wie du gegen Schuldner vorgehst
Ich möchte Dir in diesem Artikel Tipps an die Hand geben, wie Du möglichst ohne anwaltliche und gerichtliche Hilfe an Dein Geld kommst.
1. Richtiges Mindset
Es klingt auf den ersten Blick eventuell etwas komisch, von einer Anwältin in Sachen Mindset aufgeklärt zu werden.
Aber ich kann Dir sagen, dass in der Praxis viele Zahlungsausfälle darauf basieren, dass Unternehmer/innen ein suboptimales Mindset in Bezug auf Ihre Kunden und Geschäftspartner haben.
Wenn Ihnen Geld geschuldet wird, dann gehen sie davon aus, der Schuldner würde ihnen etwas Böses wollen.
Denn unsere eigenen Wertevorstellungen steuern unsere Glaubenssätze und unser Verhalten. Wer selbst prompt seine Einkäufe bezahlt und wem es selbst peinlich ist, anderen etwas zu schulden, der erwartet dasselbe von anderen.
Oft ist es allerdings so, dass Dein Schuldner keine schlechte Gesinnung hat, wenn er Deine Rechnung nicht bezahlt. Eventuell hat er selbst Zahlungsausfälle und ist wirtschaftlich nicht zur Zahlung fähig. Oder er liegt im Krankenhaus und das Letzte woran er denkt, ist Deine Rechnung.
Vielleicht ist die Buchhalterin Deines Schuldners auch vergesslich und denkt, sie hätte Deine Rechnung bereits ausgeglichen, bevor sie sie weggeheftet hat.
Daher ist es wichtig, erst einmal keine schlechte Gesinnung bei Deinem Kunden oder Geschäftspartner zu vermuten und erst einmal ganz neutral in Kommunikation zu treten.
2. Kommunikation
Der zweite und äußerst wichtige Faktor ist unsere Kommunikation.
Wenn Du Deinen Schuldner zur Zahlung auffordern oder mahnen möchtest, dann mache das möglichst schnell, nachdem die von Dir in der Rechnung gesetzte Zahlungsfrist verstrichen ist.
Wenn Du nämlich schnell handelst, erkennt Dein Kunde oder Geschäftspartner, wie wichtig Dir die Zahlung und die Kommunikation mit ihm ist. Auch erinnert er sich besser an die Rechnung, je enger der zeitliche Zusammenhang zwischen der Rechnung und Deiner Erinnerung ist.
Du kannst das Wort „Zahlungserinnerung“ benutzen, solltest aber unbedingt eine angemessene Frist zur Zahlung notieren. Angemessen sind 7- 14 Tage. Damit setzt Du Deinen Schuldner in Verzug, ohne aber das unschöne Wort „Mahnung“ benutzen zu müssen.
Hast Du den Impuls, Deinen Schuldner anzurufen oder von einem Mitarbeiter Deines Unternehmens anrufen zu lassen, so sollte auf die eigene Stimmlage geachtet werden. Wissenschaftliche Erhebungen haben gezeigt, dass unsere Wortwahl nur einen ganz geringen Teil davon ausmacht, wie das Gesagte bei unserem Gegenüber ankommt.
Viel entscheidender sind unsere Stimmlage und unsere Körperhaltung. Da am Telefon die Körperhaltung nicht in Erscheinung tritt, ist die Stimmlage umso wichtiger.
Aus meiner jahrelangen Erfahrung im Forderungsmanagement und der Zusammenarbeit mit erfahrenen Telefonisten habe ich einen super Tipp:
Schau beim Telefonieren unbedingt in den Spiegel und achte darauf, dass Du keine Zornesfalte auf der Stirn hast und dass Deine Mundwinkel möglichst hochgezogen sind. Lächele am Anfang des Gesprächs sogar ein wenig.
Kommuniziere freundlich, aber bestimmt. Weise Deinen Gesprächspartner darauf hin, dass Du den Weg zum Anwalt und weitere Kosten für den Schuldner möglichst vermeiden möchtest.
Mache zugleich deutlich, dass Du nicht auf Deine Forderung verzichten wirst.
3. Richtige Fragen
Die richtige Fragetechnik ist ein hervorragendes Instrument, um in die Welt Deines Schuldners einzutauchen.
Denn mit der Frage, weshalb eine Zahlung nicht erfolgt und wann mit einer Zahlung zu rechnen sei, zeigst Du Interesse an der persönlichen Situation Deines Kunden oder Geschäftspartners. Fragen wirken sympathisch auf andere und schaffen eine Atmosphäre des Verständnisses, wenn sie wohlwollend gestellt werden.
Fragst Du telefonisch, so bekommst Du höchstwahrscheinlich auch direkt eine Antwort. Ob diese Antwort ernst gemeint ist oder nur eine Abwehrreaktion ist, spürst Du meistens.
Die Stimmlage Deines Gegenübers verrät auch Dir sehr viel darüber, ob und wann er Deine Rechnung ausgleichen möchte.
Die richtigen Fragen zu stellen ist eine Kunst. Du kannst dadurch die Zügel in die Hand nehmen, Dein Ziel direkt ansteuern und hinter die Kulissen schauen. Bist Du geübt, so kannst Du ein wenig provokant fragen, um beim Schuldner eine Reaktion hervorzurufen, die verrät, weshalb Deine Forderung noch nicht beglichen wurde.
Die Informationen, die Du von Deinem Schuldner auf Deine Fragen bekommst, kann Gold wert sein, wenn Du tatsächlich nicht darum umher kommst, Dich anwaltlicher Hilfe zu bedienen.
4. Anwaltliche Beratung
Wenn Du nicht alleine weiterkommst und Dein Geld schnellstmöglich auf dem Konto sehen möchtest, dann bleibt der Gang zum Anwalt wohl nicht aus. Wenn Du eine Leistung erbracht hast, solltest Du dafür einstehen, dass sie auch bezahlt wird.
Beim Aussuchen des richtigen Anwalts solltest Du darauf achten, dass er das Thema Forderungsmanagement möglichst gut beherrscht und dass Du schnell einen Termin bekommst.
Denn die wirtschaftliche Lage eines Schuldners kann sich rasch ändern und Du solltest dafür sorgen, dass Du Dein Geld bekommst, noch bevor Dein Schuldner eventuell kein Geld mehr hat.
Dein Anwalt wird Dir verschiedene Möglichkeiten der Forderungsdurchsetzung aufzeigen können und Dir die wirtschaftlichen Folgen Deines Handelns effektiv erklären. Denn je nach Einzelfall gibt es unterschiedliche Wege, wie Du in Deinem speziellen Fall vorgehen solltest.
Dein Anwalt wird Dir die Vor- und Nachteile eines außergerichtlichen Verfahrens, eines gerichtlichen Mahnverfahrens, eines Factorings und eines gerichtlichen Prozesses aufzeigen können. Er wird Dir darlegen, was der kostengünstigste sowie erfolgversprechendste Weg in Deiner Situation ist.
Daher solltest Du schauen, dass eine gewisse Sympathie und ein hohes Maß an Vertrauen zwischen Dir und Deinem Rechtsbeistand besteht.
5. Deine Kosten
Ein kleiner Tipp zum Abschluss: Sobald Du Deinen Schuldner mit Deiner Zahlungserinnerung oder Deiner Mahnung in Zahlungsverzug gesetzt hast (siehe Tipp Nr. 2 oben), hat er im Endeffekt die Kosten Deines Anwalts zu begleichen.
Das heißt, dass rechtlich gesehen im Laufe Deines Forderungsmanagements im besten Fall keinerlei Kosten für Dich entstehen sollen.
Du solltest auch darauf achten, dass Du außer Deiner Hauptforderung noch Zinsen, Mahnkosten und eventuell sogar Schadensersatz geltend bekommst.
Ich hoffe, dass Deine Kunden und Geschäftspartner alle pünktlich Deine Rechnungen begleichen und Du meine Strategien nicht brauchst. Solltest Du aber dennoch in diese Situation kommen und gegen Deinen Schuldner vorgehen müssen, so hoffe ich, dass meine Tipps Dich weiterbringen.
Über Irina Shafir
Rechtsanwältin Irina Shafir, LL.M. ist Anwältin, europäische Wirtschaftsjuristin und Coach.
Sie ist auf die Bereiche Zivilrecht, Wirtschaftsrecht, Insolvenz- und Inkassorecht spezialisiert. Ihre Mandanten betreut sie bundesweit und auch online.
In den sozialen Netzwerken informiert Irina ihre Leser nicht nur auf LinkedIn über interessante Themen, sondern auch über ihren Account „Recht_solvent“ auf Instagram.
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