Anita Raidl ist Kinder- und Jugendcoach, Erwachsenentrainerin, Keynote-Speakerin und Bestseller-Autorin. Sie inspiriert ihr Publikum, ihre Leser und ihre Mitmenschen, die Kraft der Emotionen zu nutzen, sowohl für den beruflichen als auch den privaten Erfolg.
Negative Gefühle gibt es für Anita Raidl nicht. Die Emotions-Expertin ist überzeugt: Aus jeder Emotion kann man etwas Positives ziehen. Das A und O sind, seine Gefühle auszusprechen und dafür einzustehen – etwas, das gerade Frauen lernen sollten.
Anita Raidl über ihr Buch: „Das humorvolle WUT-Buch für Frauen: Ich putze gleich vor WUT“
Anita Raidl: „Ich liebe es, Tabuthemen aufzugreifen und diese Tabus zu brechen.“
Wie würdest du dich und das, was du machst, in ein paar Sätzen beschreiben?
Anita Raidl: Ich bin die WUT-Macherin, das heißt ich habe mir das Thema Wut ausgesucht und helfe dabei als Coach, Trainerin und Speakerin.
Ich zeige den Menschen, wie powervoll diese Emotion ist und wie sie diese Kraft nutzen können. Außerdem darf ich mich nun auch als Autorin eines WUT-Buches bezeichnen.
Du beschäftigst dich vor allem mit Schattenemotionen – was versteht man unter diesem Begriff?
Das Wort „Schattenemotionen“ habe ich quasi selbst erfunden, weil es im allgemeinem Verständnis positive und negative Gefühle gibt. Diese Einteilung mag ich aber nicht, denn das klingt so, als würden wir die negativen Gefühle nicht brauchen.
Ich finde es besser zu sagen: Das sind die Emotionen, die in der Gesellschaft eher im Schatten stehen – also Trauer, Scham, Ekel, Wut und Ärger.
Um die Emotion Wut geht es auch in deinem neuen Buch „Das humorvolle WUT-Buch für Frauen: Ich putze gleich vor WUT“. Was war der Anlass für dieses Buch?
Ich liebe es, Tabuthemen aufzugreifen und diese Tabus zu brechen. Aus meinen Coachings weiß ich, dass es viele Frauen gibt, die tagtäglich wütend sind.
Ich dachte mir, dass man sich das einmal näher anschauen muss, vor allem auch, wie man das ändern kann. Denn wenn wir Frauen unsere Gefühle nicht aussprechen, dann geben wir den Männern auch keine Chance, sie zu erkennen.
Im Buch nehme ich Alltagssituationen genauer unter die Lupe und verbinde sie mit ein wenig Humor und Witz.
Was sind denn Situationen, die uns gerne wütend machen?
Ein Beispiel sind die Sockenknödel. Die Socken, die überall herumliegen, im Bett oder im Bad, sie sind überall im Haus verteilt und wir Frauen müssen sie zusammensammeln.
Während meiner fast 20-jährigen Beziehung kam die Erkenntnis, dass das keine besonders tolle Tätigkeit ist. Das habe ich einmal in einer Mädelsrunde erzählt. Da kam dann wiederum die Erkenntnis auf, dass alle die Situation kennen.
Dann gibt es beispielsweise auch noch die Situation, in der der Mann vor dem Kühlschrank steht, hineinschaut und sagt: „Wir haben keine Butter mehr!“ Die Frau geht dann hin und holt direkt vor seiner Nase die Butter hervor.
Ich wollte herausfinden, wieso das so ist. Und tatsächlich hat es etwas mit dem Sehfeld der Männer zu tun. Ich habe das auch im Buch aufgegriffen, denn es sollte kein Wut-Grund sein, stattdessen müssen wir den Männern nur sagen: „Tritt einen Schritt zurück, dann kannst du es auch besser sehen.“
Wenn diese Situationen kein Grund sind, um wütend zu werden – wieso sind wir es dann trotzdem?
Bei den Sockenknödeln hat es etwas damit zu tun, dass wir Frauen das als nicht wertschätzend empfinden, sondern als einen Angriff auf uns als Person. Der Mann sieht das aber gar nicht so.
Viele sprechen das in einer Beziehung nicht gleich an und im Zuge eines anderen Streits packen wir dann alles aus, was sich die letzten Jahre angestaut hat. Da haben die Männer meistens keine andere Wahl als zu sagen: „Ja, Schatz, schon wieder erwischt.“
Wem empfiehlst du dein WUT-Buch?
Es ist kurz, knackig und humoristisch geworden, so wie ich. Und es ist ein Buch für Frauen und Männer gleichermaßen.
Es soll ein bisschen die WC-Lektüre sein, mit der man auf dem Klo sitzt und schmunzelt und sich denkt: „Ach, es gibt also noch mehr da draußen, die solche Alltagssituationen kennen.“
Das Buch ist eine leichte Kost, die trotzdem zum Nachdenken anregt. Ich möchte, dass man beim nächsten Sockenknödel an mein Buch denkt und vielleicht eine Alternative findet, wie man reagiert. Dann hat das Buch seinen Zweck erfüllt.
Anita Raidl über den richtigen Umgang mit Emotionen
Wie kann man die Emotion Wut annehmen und verarbeiten?
Wir werden wütend, wenn unsere Werte oder Grenzen überschritten werden. Da ist es ganz wichtig, dass wir Frauen erkennen, was genau denn unsere Werte sind und was diesen zugrunde liegt, und das muss auch kommuniziert werden.
Wir reden zwar sehr gerne und zwischen den Zeilen, aber wir müssen auch lernen, es klar auszusprechen.
Wieso ist es für viele Menschen schwierig, über ihre Emotionen – gerade auch negative Gefühle – offen zu reden?
Weil wir es nicht gelernt haben. Gerade Mädchen werden oft ins Zimmer geschickt, wenn sie wütend sind. Denn ein Mädchen, das sich im Supermarkt auf den Boden wirft, wird nicht gerne gesehen.
Das wütende Bild der Frau gibt es kaum in unserer Gesellschaft und deswegen haben wir schnell gelernt, traurig zu sein. Frauen drücken gerne auf die Tränendrüse und ziehen sich eher in das Verletzliche zurück als in die Wut.
Was ist der Unterschied zu Männern?
Die sind oft tatsächlich wütend und dürfen das auch zeigen. Bei Männern wird Wut leider oft mit Aggression gleichgesetzt.
Das heißt, in Medien wird Wut fast immer mit einem Täter und einem Opfer dargestellt. Oft ist Wut aber auch die Selbstabgrenzung.
Damit sagt man also: „Stopp, bis hierher und nicht weiter.“ Und diese Selbstabgrenzung zu lernen, wäre für jedes Geschlecht hilfreich.
Gerade Kinder und Jugendliche haben oft nicht richtig gelernt, mit ihren Emotionen umzugehen. Welche Tipps hast du für Eltern, deren Kinder Probleme damit haben?
Ich bin seit 17 Jahren Kinder- und Jugendcoach und unterstütze viele Eltern bei dieser Frage. Das ist auch ein Grund, wieso ich die Wut-Macherin geworden bin – weil so viele Eltern gerade in der Wut- und Trotzphase ihrer Kinder an mich herangetreten sind.
Mein Tipp, so schwer er auch umzusetzen ist, lautet: Gefühle nicht bewerten, also nicht sagen: „Wegen dem Spielturm regst du dich so auf? Den können wir doch wiederaufbauen!“
Das Gleiche gilt natürlich, wenn man erwachsen ist. Was für den Partner ein Problem ist, ist für den anderen oft nicht nachvollziehbar. Man muss wissen, dass Wut ganz individuell ist.
Diese Situationen sollte man nicht bewerten, sondern nur benennen.
Was ist aber, wenn sich diese Situationen wiederholen und sich der Partner schon zum zehnten Mal über das Gleiche ärgert?
Tatsächlich kann man das nur bei sich selbst ändern. Wenn die andere Person wütend ist, hilft kein Diskutieren, jede Argumentation prallt da ab.
Die einzige Möglichkeit, die Person aus dieser Situation wieder herauszuholen, ist, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Im Fall der Sockenknödel wäre es zum Beispiel eine Haushälterin als Entlastung.
Derjenige, der wütend wird, lernt dadurch, dass er wertgeschätzt wird, auch wenn er wütend ist. Das führt wiederum dazu, dass diese Person es das nächste Mal früher ansprechen wird, denn jetzt weiß sie ja, dass sie trotzdem wertgeschätzt wird.
Wie kann man Emotionen für beruflichen und auch privaten Erfolg nutzen?
Die Wut nutzen heißt, zu erkennen, wenn ich selbst wütend werde. Wenn ich die Wut ewig ignoriere, zeigt sie sich an anderer Stelle, zum Beispiel als Krankheit oder toxischer Beziehung.
Wenn ich in der Arbeit einen Kooperationspartner habe, bei dem ich unrund werde, sobald er nur das Gespräch beginnt, wird es Zeit, darauf zu achten, welcher Wert oder welche Grenze dabei überschritten wird. Vielleicht kommt er immer zu spät, dann muss ich das ansprechen.
Oder vielleicht ist er nicht wertschätzend genug mir gegenüber, dann muss ich das kommunizieren.
Für mich ist die Wut wie eine Ampel: Sie zeigt mir, wenn jemand versucht, eine Linie zu überschreiten, egal, ob im Business oder privat und dann heißt es, für sich einzustehen – und das dürfen gerade wir Frauen lernen.
Abschließend: Welche Botschaft möchtest du unseren LeserInnen unbedingt noch mitgeben?
Meine Botschaft lautet: Du bist gut und richtig mit all deinen Gefühlen, also nutz sie für dich. Kein Gefühl ist nur dafür gemacht, damit es dir nicht gut geht. Stattdessen zeigt dir jedes Gefühl etwas und wenn du herausgefunden hast, was, lebt es sich viel intensiver.
Dort, wo Freude ist, braucht es auch Wut als Gegenspieler. Es gibt nun einmal nicht nur das Glück, sondern auch die Schattenemotionen.
Über Anita Raidl
Anita Raidl ist Keynote-Speakerin und Expertin für Emotionen. Im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung und als Trainerin für Unternehmen bietet sie Workshops und Coachings an.
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